Gewitter, Sternenhimmel, der Fürst und ein Hase

Nur das nötigste Gepäck in den Rucksack packen, dann geht es los. Meine erste Nacht im Schäferwagen, mitten im Wald. Ich werde zum Wanderparkplatz gebracht. Von dort laufe ich etwa 1,5 Kilometer in den Wald hinein. Es ist Hochsommer. Hitze, 35 Grad. Die Sonne brennt. Gemütlich schlendere ich mit meinem Rucksack den Weg entlang, voller Vorfreude auf meine einsame Nacht im Trufterhain bei Bad Berleburg.

In der Stille der Natur komme ich recht schnell zur Ruhe. Die vielen Blumen am Wegesrand wollen fotografiert werden und so verliere ich jegliches Zeitgefühl. Nach einer gefühlten Stunde sehe ich von weitem den Schäferwagen stehen. Etwas aufgeregt bin ich jetzt schon, denn es wurde ein Gewitter angekündigt. Nicht dass ich Angst hätte vor Gewittern, aber so ganz alleine in der freien Natur habe ich noch keines erlebt.

Angekommen am Schäferwagen hole ich mir den Schlüssel aus dem Sicherheitskasten und betrete mein Walddomizil. Liebevoll ist bereits der Tisch für mich gedeckt und im Kühlschrank wartet eine deftige Vesper auf mich. Gemütlich ist es hier. Angenehmer Holzgeruch. Es ist alles da was man braucht: eine Kammer mit Toilette, Dusche, Küchenzeile, Geschirr, Kühlschrank, ein breites Bett, Veranda mit Holzstühlen und ganz wichtig: Kaffee. Bestens versorgt.

Nach dem Abendbrot vertrete ich mir noch ein wenig die Beine. Von dem Weg oberhalb meines Standorts kann ich ins gegenüberliegende Tal blicken. Auf den Wiesen dort kann man während der Brunftzeit das Wild beobachten. Das angekündigte Gewitter schickt seine Vorboten. Dunkle Wolken formieren sich am Horizont. Schnell zurück zum Wagen bevor es losgeht.

Gewitter und ein Hase

Mit meiner ersten Tasse Kaffee mache ich es mir auf der Veranda gemütlich. Eine Joggerin kommt vorbei, bleibt stehen. Wir unterhalten uns ein paar Minuten, bevor sie ihr Sportprogramm fortsetzt. Da, der erste Blitz. Es zischt in den Bäumen vor mir. Eine Windböe wirbelt durch das Geäst. In der Ferne grollt es. Noch ein Blitz. Gleißend hell. Der Donner kommt näher und mit ihm der Regen. Völlig verzaubert von dem Naturschauspiel sitze ich eine zeitlang auf der Veranda meines Wagens. Mit jedem Windstoß weht mir frische Waldluft entgegen. Herrlich. Ein Hase hoppelt den Weg entlang, knabbert am Gras und bleibt eine ganze Weile dort sitzen.

Angst im Dunkeln

Allmählich wird es dunkel. Noch habe ich die Tür weit offen stehen, damit ich den Geräuschen des Waldes lauschen kann. Das Gewitter hat sich mittlerweile verzogen, hin und wieder leuchtet der Himmel hell auf. Romantisch. Mit zunehmender Dunkelheit fühle ich mich jedoch unbehaglicher. Nun macht mir die offene Tür Angst, da ich draußen nichts mehr erkennen kann. Es fühlt sich an, als ob ich aus dem Dunkeln beobachtet würde. Tür zu. Keine Angst mehr. Interessante Erfahrung. Kindheitserinnerungen werden wach. Kennt ihr das gruselige Gefühl, wenn man nachts einen dunklen Raum erst betreten muss, um das Licht anmachen zu können? So ungefähr fühlte ich mich eben mit offener Tür.

Unterm Sternenzelt

Schlafenszeit. Über mir leuchten kleine LED-Lämpchen in der Holzdecke, wie Sterne. Es ist richtig heimelig und ich fühle mich pudelwohl in meinem kleinen Zuhause, mit dem 1,40 Meter breiten Bett. In meinen Gedanken lasse ich den Tag Revue passieren und stelle fest, dass ich ohne Handy-Empfang, ohne Fernsehen oder sonstigem medialen Schnickschnack einen sehr schönen, kurzweiligen Tag hatte. Berauscht von den Eindrücken der Natur und den Stimmen des Waldes lauschend schlafe ich ein.

Morgengruß

Sonnenaufgang. Die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich durch den Morgendunst und zeichnen zarte Muster auf die Bettdecke. Mit halb offenen Augen mache ich die Tür weit auf und lasse den frischen Duft nach regennassem Wald herein. Erst mal Kaffee, damit ich richtig wach werde. In eine weiche Flauschdecke gehüllt setze ich mich auf die Veranda und trinke gemütlich Kaffee. Der Hase hockt auch schon wieder auf dem Weg und schnuppert am Grünzeug. Ich genieße die Stille und die Verbundenheit mit der Natur. Keine Ahnung wie lange ich auf der Veranda saß. Das war auch so was von egal. Diesen Moment werde ich mit nach Hause nehmen und noch lange davon zehren.

Seine Durchlaucht, der Fürst

Es ist langsam an der Zeit aufzuräumen und meinen Rucksack zu packen. Während ich das Geschirr spüle kommt eine Frau mit Hund vorbei, bleibt stehen und schaut neugierig zur Tür herein. Stolz zeige ich in den Wagen hinein und erzähle ihr von meiner Nacht im Schäferwagen. Es stört mich überhaupt gar nicht, dass ich nur im Unterhösel und Schlafhemd vor ihr stehe. So ist das halt, wenn man im Wald übernachtet. Sie geht weiter und ich widme mich wieder dem Abwasch.

Ein Motorgeräusch nähert sich. Ich schaue aus dem Fenster. Ein älterer Herr in einem grünen Jeep guckt mir, durch das Autofenster, direkt in die Augen und fährt im Schritttempo am Schäferwagen vorbei. Wer ist das denn jetzt? Und warum guckt der denn so? An der offenen Tür stehend erkenne ich das (mir mittlerweile) bekannte „RW“ auf dem Nummernschild – die Initialen des Fürsten Richard zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, des Herrn des Waldes. Na super, und ich stehe da im Unterhösel. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, er möge bitte weiterfahren und keine Lust auf einen Plausch haben. Es wird erhört. Glück gehabt. Wie peinlich wäre das denn gewesen? Ob er mich in meinem „Waldkind-Outfit“ gesehen hat werde ich wohl nie erfahren. Falls ja, wird er sicherlich erfreut gewesen sein, dass ich mich so wohlgefühlt habe, in seinem Wald, sodass ich jegliche Etikette verloren hatte.

Mein Aufenthalt im Schäferwagen erfolgte auf Einladung des Touristikverbands Siegerland-Wittgenstein e.V.
Vielen Dank an dieser Stelle für die hervorragende Betreuung. Meine Berichterstattung hat dies in keiner Weise beeinflusst.
Ich behalte mir vor, authentisch und ehrlich über meine Aufenthalte zu schreiben.