Schreiten auf der „Hohen Straße“

Die heutige Strecke war ein Vorgeschmack auf die finalen drei Etappen. Knapp 70 Kilometer trennen mich noch vom Speyrer Dom. Ob ich es schaffen werde? Zum ersten Mal habe ich ehrlich gezweifelt und wollte keinen Schritt mehr weiter laufen. Das war ungefähr 3 km vor meinem heutigen Domizil, einer sehr einfachen Arbeiterherberge in einem Vorort von Bad Wimpfen. Mir tut echt alles weh: Füße (wie immer), Beine, Rücken, Knie – einfach alles. Normalerweise ist so eine Strecke für mich keine große Herausforderung. Doch für gewöhnlich habe ich auch keinen riesigen Rucksack auf, der mich zunehmends in den Boden drückt. Ich glaube, ich bin auch schon etwas geschrumpft.

Dabei fing der Tag so schön an … mit Sonnenschein und Morgennebel. Ich hatte mich für die längere Routenvariante entschieden, die zuerst durchs Jagsttal führt und dann später über die „Hohe Straße“ nach Bad Wimpfen. Ein paar nette Ortschaften habe ich abgeklappert und ein paar sehr hübsche Kirchen gesehen. Immer weiter durch das Tal kam ich am Rokokoschloss Assumstadt vorbei. Was für ein traumhaftes Anwesen! Und vor lauter Staunen hab ich mich auch grad wieder verlaufen, aber nur ein Stück.

Die St. Gangolfkapelle bei Neudenau war mit ein Grund, warum ich die längere Route gewählt habe. Dort entspringt auch so eine Zauberquelle und sie gehörte zu einem Dorf, das im 30-jährigen Krieg unterging. Leider war die Tür verschlossen. Angeblich sollte im Nachbarhaus jemand mit Schlüssel wohnen – Fehlanzeige! Echt schade. Wer auch immer für diese Kapelle zuständig ist: Ändert das doch bitte! Es ist so was von enttäuschend, wenn man als PilgerIn vor verschlossener Tür steht. Und noch dazu war es einfach saukalt und ich hätte mich gerne etwas aufgewärmt.

Hinter Herbolzheim führte ein steiler Weg nach oben und raus aufs Feld. Endlich, ich erreichte die Hohe Straße, der uralte Verbindungs- und Handelsweg, der von den Kelten und später dann von den Römern benutzt wurde. Er war die Fernverbindung von Paris nach Osteuropa. Glaubt mir, das war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich da oben stand und in die Täler rechts und links von mir blicken konnte. Ein Traum! Kilometerweit wanderte ich – nein, ich schritt auf dieser Straße, voller Ehrfurcht. Endlos, wie es schien. Nur … das geht so was von in die Knochen! Die letzten Kilometer waren echt die Hölle. Aber, ich habe es geschafft! Und jetzt gehe ich eine Familienpizza essen, denn auf der Hohen Straße gibt es leider keinen Kiosk. HUNGER!!!

Ach ja, heute übernachte ich in einer Arbeiterherberge in Jagstfeld. Es ist günstig und laut – grrr. Nun denn, auch diese Nacht wird irgendwie vorübergehn.

Was heute vom Tage übrig bleibt:
1. Über die „Hohe Straße“ schreitet man irgendwie!
2. Das Jagsttal mit seinen netten Menschen schleicht sich so langsam in mein Herz!
3. Die Heimat rückt Schritt für Schritt näher

Etappenverlauf:

Möckmühl – Züttlingen – Siglingen – Neudenau – Herbolzheim – Hohe Straße –Bad Wimpfen im Tal (26 km)

Mehr Informationen zu diesem Weg gibt es hier: Jakobsweg Rothenburg o.d.T. – Speyer