Aufstieg zur Kanisfluh

Der Bregenzerwald ist eine ganz besondere Region. Besonders, weil sich dort Tradition und Moderne auf charmante Art und Weise begegnen. Brauchtum und Handwerkskunst treffen auf moderne Architektur und industriellen Fortschritt. Während einer mehrtägigen Bloggerreise habe ich die facettenreiche Region im österreichischen Vorarlberg mit ihren gastfreundlichen Menschen kennengelernt und ins Herz geschlossen. Mit einer Sonnenaufgangswanderung begann mein Abenteuer im Bregenzerwald…

Mellau, 8. September 2015, 4.00 Uhr. Der Wecker klingelt. Was hatte mich nur geritten? Sonnenaufgangstour zur Kanisfluh. Einen Berg hoch wandern bei Dunkelheit! Mit halb geschlossenen Augen suche ich meine Wanderklamotten zusammen. Wenn ich etwas gar nicht leiden kann, dann ist das früh aufstehen, sehr früh aufstehen. Eine halbe Stunde Zeit zum Anziehen und Rucksack Packen. Wir werden von einem Bergführer abgeholt, der mit uns die Tour machen wird. Wir, das sind Katja vom WellSpa Portal und ich.

Vor dem Hotel warten wir erst mal. Unser Bergführer kommt zu spät. Warten um diese Uhrzeit ist so gar nicht meins. Ungeduldig schlurfe ich vor dem Hotel auf und ab. Zur Ruhe kommen geht anders. Endlich, da kommen die Autos. Zusammen mit Gästen aus anderen Hotels fahren wir los Richtung Kanisfluh. Mir ist kalt. Ich will wieder ins Bett.

Mein erster Almabtrieb

Pius, unser Bergführer, erzählt im Auto von der Region, der Kanisfluh, vom Almabtrieb… Moment. Almabtrieb? Wow, ich habe noch nie einen Almabtrieb erlebt. Vorfreude. Hurra, ich liebe Kühe. Pius Auto schraubt sich den Berg hoch. In der Ferne erkennen wir kleine hüpfende Lichter. Seitlich anhalten, aussteigen, warten. Bim, bam… bim, bam, die ersten Kühe kommen uns entgegen. Bim, bam… bim, bam… vereinzeltes Muhen. Was für ein gemütliches Tempo die Kühe haben. Sie laufen so dicht an mir vorbei, dass ich ihre Wärme fühlen kann. Eine Kuh schnauft mir beim Muhen ihren warmen Atem entgegen. Es fühlt sich gut an, irgendwie entspannend. Wir fahren weiter.

Auf dem Weg zu unserem Startpunkt für die Wanderung müssen wir noch einige Male anhalten, um Kuhherden Platz zu machen. Am liebsten wäre ich mit den Kühen ins Tal hinunter gewandert. Stattdessen geht es hinauf. Als wir am Parkplatz ankommen bin ich total entspannt und ruhig. Jetzt freue ich mich richtig auf die Wanderung, auch wenn ich in der Dunkelheit kaum was sehe, außer den zappelnden Lichtern der Taschenlampen und Kopfleuchten. Etwa 800 Höhenmeter sind es zum Gipfelkreuz. Ha, ein Klacks! Denkste. Und Abmarsch.

Die Stille hören

Schon bald hat sich unsere Gruppe aufgelöst. Jeder marschiert in seinem Tempo. Pius wartet auf die Letzten. Ich auch. Andere eilen voraus, ohne zu wissen wo es eigentlich hingeht. Mein Ziel ist: entschleunigen, wahrnehmen, fühlen – kein Wettrennen! Pius führt die nun wieder vollständige Gruppe an. Leichtfüßig und trittsicher. Erst jetzt fällt mir auf, dass er gar keine Lampe hat. Er kennt den Weg blind. Bemerkenswert. Stolpernd versuche ich, mich seinem Schritttempo anzupassen. Gar nicht so einfach, trotz Kopfleuchte. Ich beneide Pius um seine Ruhe und Ausgeglichenheit. Seine Schritte hört man kaum. Meine dafür umso mehr.

Mittlerweile ist es nach 5 Uhr. Unser Bergführer bleibt stehen. „Jetzt macht’s mal alle die Lampen aus!“ fordert er uns auf. „Schaut mal, wie hell die Sterne leuchten. Eigentlich braucht man gar kein Licht. Und … hört’s ihr des?“ Wie Recht er hat. Wie ruhig es hier oben ist. Wie hell der Himmel ist. Stille. Weiter geht’s. Doch lieber wieder mit Kopflampe. Eine ganze Weile folgen wir Pius ohne viel zu sprechen. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach oder konzentriert sich auf den Weg, der allmählich steiler und steiniger wird. Teilweise bin ich leicht panisch, da ich überhaupt keinen sicheren Tritt finde und Angst habe auszurutschen. Das ist die Strafe dafür, dass ich Pius Wanderstöcke abgelehnt habe. Pah, Stöcke, ich doch nicht! Hätte ich sie mal besser genommen. Gegen 6 Uhr erreichen wir den Bergkamm, gerade zur richtigen Zeit. Über steiniges Terrain krabbeln und kraxeln wir den ersten Vorgipfel hoch. Meine Kamera baumelt um mich herum. Das nervt tierisch. Tzia, so ist halt das Bloggerleben.

Der Sonne entgegen

Der Morgen graut. Ein schmaler farbiger Streifen am Horizont zeichnet sich ab. Traumhaft schön. Kurz genießen und dann fotografieren. Jetzt müssen wir uns etwas beeilen, damit wir den Aufgang der Sonne auch wirklich vom Gipfel aus erleben können. Gefühlte Stunden (in Wirklichkeit etwa 20 Minuten) brauchen wir, bis wir den letzten steilen Anstieg zum Gipfelkreuz bewältigt haben. Dieses Stück hat es in sich. Es ist steil und unwegsam. Panik steigt in mir auf. Wie soll ich da jemals wieder herunter kommen? Atmen. Ruhig bleiben. Langsam. Ein Schritt nach dem anderen.

Irgendwie habe ich es geschafft. Vor mir steht das Gipfelkreuz. Innerlich schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel. Erst jetzt erblicke ich das überwältigende Panorama. Fantastisch. So etwas habe ich noch nie gesehen. Ergriffen setze ich mich auf einen Stein und lasse das alles auf mich wirken, mit Tränen in den Augen – einerseits, weil ich total erschöpft bin und Angst vor dem Abstieg habe, andererseits aus Dankbarkeit, dass ich diesen Augenblick erleben darf. Dann beginnt die Sonne mit ihrem unvergesslichen Schauspiel…

Niemals mehr werde ich die Farben vergessen, mit denen die Berge ringsherum zu leuchten begannen. Abwechselnd. Leuchten und Glühen. Eine wundervolle Bergsilhouette zeichnet sich vor uns ab. Was für ein Farbenspiel! Demut. Tränen. Dankbarkeit. Meine Stimme kann das Dankeslied nicht mitsingen, das Pius mit der Gruppe am Gipfelkreuz anstimmt. Alleine auf meinem Stein sitzend genieße ich die (für mich) spirituelle Atmosphäre. Pius gesellt sich zu mir. Seine wachen Augen erkennen, verstehen, lächeln.

Gipfelschnaps und Alphornblasen

Für jeden gibt es einen Schnaps. Ach, Pius, du bist klasse! Prost und Abstieg. Vorsichtig. Gaaanz vorsichtig. An dieser Stelle halte ich fest, dass solch ein Abstieg mit Stöcken sehr viel einfacher und um einiges sicherer ist! Verzaubert von der Bergwelt verspüre ich keinerlei Müdigkeit oder Erschöpfung mehr. Gespräche über Kühe, über das Leben auf der Alm und über Alltagsflucht. Ich träume von einer einsamen Holzhütte auf der Alm, von Kuhglockengebimmel vor der Tür und Kaminfeuer. Unten am Parkplatz angekommen schaue ich in strahlende Gesichter. Jeder zehrt noch von seinem ganz persönlichen Erlebnis auf dem Gipfel der Kanisfluh.

Als Abschiedsgeschenk für uns holt Pius etwas Langes aus seinem Auto. Was wird das jetzt? Ich werd’ verrückt. Es ist ein Alphorn. Unser Bergführer spielt für uns auf dem Alphorn. Das Lied schallt durch das Tal und wir alle sind fasziniert. Schluck. Was für ein Tag. Auf der Rückfahrt ins Hotel müssen wir einen Umweg machen. Überall sind Kuhherden unterwegs. Wie schön. Am Hotel angekommen, können Katja und ich zum Glück noch den Almabtrieb durchs Dorf erleben. Pius lässt es sich nicht nehmen, noch einmal sein Alphorn rauszuholen und für die vielen Schaulustigen sein Lied zu spielen. Begeisterter Applaus. Tschüss Pius, es war toll!

Mein Aufenthalt im Bregenzerwald erfolgte auf Einladung von Hotel Sonne Lifestyle Resort Bregenzerwald in Mellau. Herzlichen Dank an dieser Stelle für die hervorragende Betreuung! Ich behalte mir vor, absolut ehrlich und authentisch zu schreiben und zu bewerten.