Im Zeichen der Muschel – Alles fügt sich

Mein erster Blick aus dem Fenster ließ mein Herz hüpfen: die Sonne schien. Na, wenn das mal kein guter Start war. Aufgeregt und voller Vorfreude packte ich meinen Krempel zusammen und machte mich auf den Weg zum Rheinland-Pfalz Tourismus-Büro, denn glücklicherweise wurde ich nach Koblenz-Stolzenfels gefahren, dem Ausgangspunkt des Mosel-Caminos. Wir machten noch einen kurzen Schlenker ans Deutsche Eck, damit ich es auch noch einmal bei Tag sehen konnte. Ich muss unbedingt mal im Sommer nach Koblenz kommen, es muss traumhaft schön sein, die Uferpromenade entlang zu spazieren.

Unterhalb von Schloss Stolzenfels begann meine Pilgerwanderung. Schon nach wenigen Schritten war ich an der Pfarrkirche St. Menas, die leider wie so viele Kirchen in dieser Jahreszeit geschlossen war. Dennoch versetzte mich dieses alte Gemäuer in eine friedvolle Atmosphäre – genau richtig für den Jakobsweg. Mittlerweile war der Himmel über Koblenz strahlend blau und ich erreichte Schloss Stolzenfels (leider auch geschlossen). Die Aussicht dort oben war traumhaft. Voller Energie setzte ich meinen Weg fort, der mich durch den Koblenzer Stadtwald führte. Einige Höhenmeter später fand ich mich in einer märchenhaften Winterlandschaft wieder. Als ob ich in einen Traum geplumpst war. Plötzlich ein lautes Rascheln. Was hab ich mich erschrocken! Es waren nur ein paar Rehe, die mich in sicherem Abstand umrundeten und selbstsicher meinen Weg kreuzten.

Im Winterwunderland

Wie hypnotisiert wanderte ich weiter und fotografierte ununterbrochen Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen, weißer Schnee und blauer Himmel und … Nistkästen. Überall an den Bäumen hingen Nistkästen mit Jakobsweg-Markierungen. Sehr hübsch. Ich musste mich richtig losreißen von diesem Winterwunderland, damit ich auch irgendwann noch einmal irgendwo ankam. Tief durchatmen, genießen, Sonne tanken und weiter ging’s über den Hunsrück Richtung Mosel.

Ich war wie berauscht von den Farben und stand teilweise einfach nur da und genoss die Natur um mich herum. Die Atmosphäre kam mir fast unwirklich vor, märchenhaft, wie in einem Traum. Dennoch dauerte es ein paar Stunden, bis ich einigermaßen abschalten und in den Wander-Genuss-Modus schalten konnte.

Lauter nette Menschen

*Flatsch*
„Herrschaft! Aua!“
Volle Kanne ausgerutscht auf einem vereisten Wegstück. Seid ihr mal mit über 10 kg auf dem Buckel hingeflatscht? Auf den Bauch? Kein Spaß sag ich euch! Wandern und dabei fotografieren war also keine gute Idee im winterlichen Wald. Zum Glück habe ich gelernt wie man hinfällt, ohne sich was zu brechen [Wozu ein paar Jahre Karate doch gut sein können]. Dennoch schien mein Schienbein was abbekommen zu haben. Stechender Schmerz. Ab jetzt ging es erst mal humpelnd weiter. Aber meiner guten Laune tat das keinen Abbruch. Vorerst.

Bei Waldesch setzte ich mich an einem Parkplatz kurz auf einen Stein und erholte mich. Die Schmerzen am Schienbein waren schlimmer geworden. Echt toll! Und das am ersten Tag. Zwei Straßenarbeiter hielten an und ich erkundigte mich nach der nächsten Apotheke. Ohne zu fragen bot mir der Fahrer an, mich hinunter zur Apotheke zu bringen. Ich war echt erstaunt über die Hilfsbereitschaft. Kollege Nr. 2 musste aussteigen und ich stieg ein. Es war Dienstag, 13.30 Uhr und die Apotheke hatte geschlossen. Ich wurde ein bisschen weinerlich *mimimimimi* und Kollege Nr. 1 brachte mich wieder zurück zum Parkplatz. Er fragte mich, ob er sonst noch was für mich tun könnte. So ein netter Mensch. Dankend verneinte ich, winkte ihm tapfer zum Abschied und machte mich wieder auf den Weg.

Eine zeitlang ging es an der Autobahn entlang, auf Asphalt. Gar nicht meins. Ich hatte Aua und wollte sofort einen Kaffee. Meine Güte, was war los mit mir? Herumjammern half mir auch nicht weiter. Ich befand mich doch auf dem Jakobsweg und wollte wieder mehr zu mir selbst finden. Aber so würde das nix werden. Nun war es etwa 15 Uhr und ich hatte noch 1,5 Stunden Zeit, bevor die Dunkelheit hereinbrechen würde. Noch während ich haderte und an mir herumnörgelte stand da plötzlich eine Raststätte, die Autobahnraststätte Mosel-West. Jawoll, jetzt erst mal einen Kaffee.

Es ist verblüffend, dass man immer wieder auf Menschen trifft, die eine Ader für Sinnsuchende haben. Peter, der Küchenchef der Raststätte Mosel West war so einer. Er schenkte mir ein Schokolädchen zum Cappuccino und erzählte mir eine Kurzversion seiner Familiengeschichte, erzählte von der Mosel und der Region und von vielen anderen Dingen. Es machte Spaß ihm zuzuhören. Leider musste ich weiter, es blieben mir nur noch zwei Stunden bis es dunkel wurde.

Alles fügt sich

Mit neuer Zuversicht und erheblich besserer Laune nahm ich meine Pilgerwanderung wieder auf, Richtung Mosel. Nicht mehr lange und ich würde einen ersten Blick auf eine der Moselschleifen werfen können. An der hübschen Wallfahrtskirche Bleidenberg machte ich eine Pause in der Abendsonne und hatte einen traumhaften Blick auf Burg Thurant bei Alken und auf die Mosel. Von hier ab verläuft der Pilgerweg parallel zum Moselsteig.

Spannend und ganz schön steil war der Abstieg nach Alken. Mit leicht zitternden Knien kam ich unten an. Noch bevor ich mir Gedanken über eine Unterkunft machen konnte, hatte ich sie auch schon gefunden: in der Pilgerherberge am Bleidenberg, bei der lieben Familie Eppelsheimer. Ich stand vor dem Gittertor des über 400 Jahre alten Hauses, mit echten Kanonenkugeln auf den Mauerpfosten und wusste sofort: „Hier bleib ich!“

Nachdem ich herzlich und mit leckeren selbstgekochten Spaghetti in die Familie aufgenommen wurde, saß ich glücklich in meinem Pilgerzimmer und freue mich auf den nächsten Wandertag. Es fügt sich einfach alles, wenn man auf „dem Weg“ ist. Und wieder einmal fühlte ich mich beschützt.

Streckenverlauf der 1. Etappe mit Höhenprofil, GPS-Track und weiteren Infos:

Wegpunkte: Koblenz-Stolzenfels – Pfarrkirche St. Menas – Schloss Stolzenfels – Schüllerhof – Reste des altrömischen Merkurtempels – Waldesch – Hünenfeld – Bruder-Tönnes-Hügel – Naßheck – Dreifaltigkeitskirche auf dem Bleidenberg – St.-Michaels-Kirche mit Gebeinhaus – Alken

Übernachtung: Pilgerherberge am Bleidenberg, Familie Eppelsheimer, Bachstr. 14, 56332 Alken