Der Tag davor

Kaum hatte ich mir die Jakobsmuschel an den Rucksack gehängt, fühlte ich mich als Pilgerin, auch wenn ich erst am Kandeler Bahnhof rumstand und auf den Zug wartete. Ich war viel zu früh und verkroch mich im Bahnhofskiosk um einen Kaffee zu trinken. Nieselregen. Der Kiosk-Mensch, Steffen, sprach mich an: „Gehen Sie den Weg?“ und deutete auf meine Muschel. „Ja“, sagte ich stolz, „morgen geht es los“.

Steffen erzählte mir von Irland und seinem Traum, irgendwann mal den Camino zu laufen. Mit einem Lächeln griff er unter die Theke und holte Hape Kerkelings Pilgerbuch hervor, das er gerade las. Das wart echt verrückt, da war ich noch nicht richtig auf dem Weg und schon war sie wieder da, die Magie des Jakobswegs und des Pilgerns. Jetzt machte mir auch der Regen nichts mehr aus. Es war völlig egal wie das Wetter war. Ich war auf dem Weg und das war gut so.

Wind und Regen – das fängt ja gut an!

Direkt hinter dem Koblenzer Bahnhof hatte mir der Rheinland-Pfalz Tourismus ein Hotelzimmer reserviert. Herzlichen Dank an dieser Stelle. An der Rezeption traf ich die liebe Frau Reitz an, die sich rührend um mich kümmerte. Sie gab mir einen Stadtplan und machte mit mir eine virtuelle Stadtführung durch Koblenz. Das Wetter war zwar recht ungemütlich, aber wenn ich schon mal hier war, musste ich unbedingt ans Deutsche Eck. Pflichtprogramm sozusagen.

In eisiger Kälte mit starkem Windgetöse lief ich los, Richtung Innenstadt. Es war ewig her, dass ich hier das letzte Mal war, verbunden an eine sehr persönliche Erinnerung. Das war auch der Grund, warum ich diesen Platz sehen wollte, am Tag vor dem Beginn meiner Pilgertour.

Als ich am Deutschen Eck ankam, blies mir der Wind um die Ohren und es war saukalt. Ein klein wenig hatte ich Bedenken, dass mich das Wetter am nächsten Tag im Stich lassen könnte. Ach was, jetzt war jetzt und morgen war morgen. Ich genoss die Naturgewalt, gedachte der Person, mit der ich das Deutsche Eck emotional verbinde und wusste:

„ICH BIN ZUR RICHTIGEN ZEIT AM RICHTIGEN ORT“.