Wandern im Land der Burgen

Teil 1

Heute habe ich es langsam angehen lassen und habe beschlossen, die 3. Etappe in zwei kleine Etappen zu teilen – heute bis Beilstein (15,5 km) und Morgen dann nach Bullay (14 km). Da die Region im Winterschlaf zu liegen scheint, musste ich mit dem Bus nach Cochem fahren, um ein Zimmerchen zu bekommen.

Diese Pilgertour wird mir wegen der vielen imposanten Burgen noch lange im Gedächtnis bleiben. Gestern die Burg Eltz und Thurant, heute Burg Metternich und die Reichsburg in Cochem. Einfach traumhaft. Schade nur, dass ich wenig Zeit habe und sie mir nicht alle intensiv anschauen kann.

Endlich hatte ich heute mal Glück und konnte mir eine Kirche von innen ansehen. Nachteil dieser Jahreszeit: viele Kirchen und Kapellen sind geschlossen. Im Kloster Maria Engelport (Flaumbachtal) hatte ich endlich einen Moment der Stille für mich ganz alleine. Fast wäre ich eingeschlafen. Das raschelnde Gewand einer vorbeischwebenden Nonne ließ mich aufschrecken. Sie lächelte, schaute mich aber nicht an. Ich machte auf andächtig und wartete bis sie weg war. Beschämt schoss ich schnell ein paar Fotos und ließ mir einen weiteren Stempel in meinen Pilgerpass drücken.

Weiter ging es, kilometerlang durch den Wald, bergauf, bergab, immer wieder. War das erholsam. Und diese Ruhe! Auch wenn mein Schienbein immer noch schmerzt, habe ich heute eine innere Ruhe gefunden. Und als ich kurz vor Beilstein einen hübschen Aussichtsplatz in der Sonne fand (siehe Foto), legte ich mich auf die Bank und ließ meine Seele baumeln. Sonne, Wärme, die Mosel wieder unter mir, Burg Metternich vor mir, einfach nur sein. Das ist Pilgern.

Zauberwald

Teil 2

Hätte ich mich gestern gleich über die Busverbindung nach Beilstein informiert, hätte ich nicht eine Stunde in der Tourist Information Cochem verbringen müssen. Dann hätte ich aber auch nicht die schöne Münze von der Reichsburg bekommen und könnte euch jetzt nicht die Geschichte von der Zauberschachtel erzählen…

Als der Bus endlich um 11.42 kam, war ich erleichtert, denn ich hatte ja noch ca. 14 km vor mir. Ein älterer blinder Herr stieg vor mir ein, setzte sich und sagte laut: „Orrr, ist mein Rucksack schwer.“ Ich konnte es mir nicht verkneifen zu antworten: „Ja, meiner auch.“

Die Zauberschachtel

Das war der Beginn eines sehr berührenden Gesprächs. Er erzählte mir von seiner Einsamkeit seit seine Frau gestorben ist, von seiner Erblindung vor 30 Jahren und dass er sich freut, wenn sein Enkel endlich bald wieder zu Besuch kommt. Und ganz nebenbei erklärt er mir, was ich gerade sehe. „Da vorne kommt jetzt gleich ein Betonklotz, rechts sehen sie das Hochwasser, da vorne ist die Schleuse…“ Er kennt die Strecke auswendig, anhand der Kurven wusste er genau wo er sich befand. Ich war sprachlos. Als ich aussteigen musste meinte er zu mir: „Schade, ich hätte gerne noch was über sie erfahren. Ich gehe jetzt heim und öffne die Zauberschachtel. Wissen sie, ich habe eine Mikrowelle und jeden Mittag mache ich eine dieser gekühlten Schachteln auf und schiebe sie hinein. Keine Ahnung was in den Schachteln drin ist. Jedes Mittagessen ist eine Überraschung.“ Zum Abschied reicht er mir die Hand und wünscht mir alles Gute.

Viel später, als ich durch einen wunderschönen, von Sonnenstrahlen durchfluteten Wald wanderte, musste ich an ihn denken und war betrübt, weil er so was Schönes nie wieder sehen wird. Ich habe den Wald spontan zum Zauberwald ernannt. Für ihn.

Als ich endlich den Friedhof von Bullay erreichte, fast kriechend, brach der Himmel auf. Eine Flut von Sonnenstrahlen ergoss sich über die Stadt (oder Dorf?) und ich musste mich hinsetzen. Ich war echt ergriffen. So ein schönes Schauspiel am Himmel. Einfach zauberhaft.

Der nächste Morgen…

Draußen war es sehr ungemütlich: windig, Schneeregen, nasskalt. Es wäre unvernünftig gewesen, die nächste Etappe nach Traben-Trarbach bei solch miesem Wetter zu bewältigen. Denn 1. gab es traumhafte Aussichten zu genießen und 2. stand der schlimmste Aufstieg bevor: der Bummkopf. In der Hoffnung auf besseres Wetter am folgenden Tag, nahm ich mir im Gästehaus Moselinchen in Bullay ein Zimmer. Es war ein rosarotes Prinzessinnenzimmer, in dem sogar einmal die Sängerin Mary Roos übernachtet hat. Zwei Tage lang wohnte ich wetterbedingt hier, bevor meine Pilgerwanderung auf dem Mosel-Camino weiterging.

Streckenverlauf der 3. Etappe mit Höhenprofil, GPS-Track und weiteren Infos:

Wegpunkte: Treis – Flaumbachtal – Kloster Maria Engelport – Beilstein – ehemaliges Karmeliter-Kloster Beilstein – Ruine Burg Metternich – Kapelle Lindenhäuschen – Bullay

Übernachtung Nr. 1: Café · Pension Becker in Cochem

Übernachtung Nr. 2: Gästehaus Moselinchen in Bullay