Befreiung der Sinne

Einsteigen ins Grau. Bilder rasen an mir vorüber im Takt der Gleise. Meine Augen möchten verharren, möchten ruhen. Ein Baby schreit, Herr Müller schreit, sein Handy schreit, die Ansage schreit, das Metall der Gleise schreit, meine Seele schreit. Zu viele Gerüche, zu viele Düfte, vermischen sich zu einem Dunst aus MenschenundMaschinenmief. Niemand spricht, niemand kommuniziert, jeder tippt, liest, spielt oder hört, niemand schaut weg vom leuchtenden Bildschirm mit seinen vielen Verheißungen. Niemand vermisst die verlorengegangene Sprache, das Gegenüber mit menschlicher Mimik und Gestik. Ich bin in einer Welt, die nicht die meine ist.

Ankommen. Aussteigen. Gedränge überall, jeder möchte den ersten Schritt nach draußen setzen, jeder nur für sich denken, jeder nur sich selbst wahrnehmen. Gleich habe ich es geschafft, gleich bin ich draußen, gleich bin ich sie los, die Bildschirmzombies, die Wahrnehmungslosen, die InsichAbgetauchten und IndievirtuelleWeltEingetauchten. Hastig, Schritt für Schritt, Beton, Pflastersteine, Beton, Gras, Sand, Erde. Ich bin da. Angekommen. 

Einsteigen ins Grün. Ein tiefer Atemzug. Meine Sinne tanzen, hüpfen, umarmen sich, küssen sich. Meine Arme befreien sich, berühren, tasten, streicheln. Ein Falke schreit, das Grün schreit, die Bäume schreien mir ihre Ruhe entgegen. Stille. Gierig nehme ich Gerüche wahr, die sich vermischen zu einem Dunst aus NadelwaldLaubMoosgemisch, speichere sie ab in meinem Duftgedächnis. Aufnahmewillig lausche ich der Waldkommunikation, höre sie flüstern, die Bäume, die Blätter, den Wind und die Gräser, höre sie rascheln, die Naturwesen im Laub und Gebüsch. Wahrnehmend schaue ich, sehe ich, höre ich den Wald. Meine Augen schauen neugierig, lernen Farben, erkennen Formen, verlieben sich. Ich bin in einer Welt, die meine ist.

Natur ist auch zum Anfassen da

Manchmal möchte ich auch Natur anfassen. Es ist eine andere Art von Verbindung aufnehmen.