Alles sortiert sich
Heute Morgen erwachte ich mit einem Gefühl von Schwermut. Keine Ahnung wo das herkam. Es war einfach da. Beim Pilgern lösen sich Dinge in uns – wenn man das will und zulässt – was unterschiedlichste Gefühle verursacht. Das kenne ich schon und habe auch keine Angst davor, mich damit auseinanderzusetzen. Wichtig ist dabei nur, dass man sich in solch ein Gefühl nicht hineinfallen lässt und am Ende darin gefangen bleibt. Ich fühle mich kurz hinein, akzeptiere dass es da ist und verabschiede es dann. Schon kurze Zeit nachdem ich losgelaufen war, wurde dieses schwermütige Gefühl weniger.
Achtung Umleitung!
Den ersten Aufstieg bewältigte ich noch recht locker. An einem kleinen Rastplatz angekommen war ich wieder mal überwältigt von dem sagenhaften Ausblick auf die Mosel, die noch im Nebeldunst lag. Ein Stück weiter oben war plötzlich Endstation. Der Weg war gesperrt wegen Bauarbeiten. Im ersten Moment dachte ich, das war’s jetzt. Ich war so auf das gelbe Muschelzeichen programmiert, dass ich vor der Absperrung stand wie der Ochs vor’m Berg. Aufruf über Twitter und Facebook, Anfrage bei Rheinland-Pfalz – Die Gastlandschaften: „Nimm lieber ’ne Umleitung“, hieß es. Also über den Berg hoch und auf der anderen Seite hinter der Baustelle wieder runter auf den Pilgerweg. Pilgermodus wieder eingeschaltet.
Eins mit der Natur
Über wunderschöne Wald- und Wiesenwege durchquerte ich den Mehringer Wald. Eine wirklich wunderschöne Strecke (mal abgesehen von den matschigen Wegen, die dem Wetter geschuldet waren). Mittlerweile schien die Sonne, doch es blieb recht kalt. Dennoch, am Zitronenkrämerkreuz angekommen nahm ich mir die Zeit für eine Rast. Ich fläzte mich auf eine Holzbank, streckte mein Gesicht in die Sonne und lauschte dem Wald. Alles in mir wurde ruhig. In dieser halben Stunde haben sich alle meine schwermütigen Gedanken vom Morgen in Luft aufgelöst. Die Natur und ich waren eins. Es war einfach wunderbar. Auf einmal sortierte sich alles neu. Was wichtig war wurde unwichtig bzw. nebensächlich. Das ICH und DU trat in den Vordergrund. Alles drum herum war nur noch Beiwerk. Herz und Seele füllten sich mit (Selbst)Liebe und Mitgefühl.
Und es ist tatsächlich so, dass alles fließt. Bei mir fühlt sich das an, als ob ein Energiestrom aus der Erde durch mich hindurch nach oben fließt (keine Ahnung was oben ist, der Kosmos?). Es gibt Stellen und Plätze an denen das Gefühl stärker ist. Das ist manchmal schon bissl unheimlich. Aber irgendwie auch beruhigend. Dieser Platz dort oben war solch ein besonderer Platz.
Huch, ich wurde erkannt
Mir wurde kalt und so machte ich mich wieder auf den Weg. Der folgende Streckenabschnitt wird mir noch lange in Erinnerung bleiben: weicher Boden, viel Grün, blauer Himmel mit Bauschewolken, hohe, verschlungene Bäume und Geräusche wie im Urwald. Diese vielen Vögel. Unvergesslich.
Was dann geschah hat mich echt umgehauen! Ich war schon Richtung Schweich unterwegs, als mir zwei junge Frauen entgegenkamen. Beide trugen ihre Babys fest eingewickelt vor dem Bauch. Sah richtig süß aus. Wir grüßten uns und gingen weiter. Plötzlich ruft mir eine der beiden Frauen hinterher: „Bist du nicht die WanderReporterin?“ Ich dachte, ich hätte mich verhört und drehte mich um. Etwas unsicher antwortete ich: „Ehm, ja, ich bin’s“. Wir müssen alle lachen. Sie hätte mich an der Kamera erkannt, sagte sie. Das war so unglaublich, mir fehlten die Worte. Sie hatte mein Posting von der Absperrung gesehen und dieses kommentiert. Jetzt, wo ich das hier schreibe, grinse ich wieder übers ganze Gesicht. Aber wisst ihr was, ich hatte die ganzen Tage so ein Gefühl, dass genau so etwas passieren wird. Mein Bauch wieder mal.
Ein komischer Kauz und Linsensuppe
In Schweich angekommen bin ich als erstes in die Kirche St. Martin. Die Sonne strahlte gerade von der Seite durch die Kirchenfenster. Gerne hätte ich ein paar Fotos gemacht, wäre da nicht dieser komische Mann gestanden. Er stand nur da, starrte vor sich hin und bewegte sich nicht. Mein Bauch sagte: „Mach, dass du hier wieder raus kommst!“ Ein komischer Zeitgenosse war das.
Im Bäckerladen bei der Kirche bin ich eingekehrt. Zwei „Schneggenudle“ und ein Cappuccino – das hatte ich mir verdient. Dann kam die liebe Margit um mich abzuholen. Margit hatte ich auf Twitter kennengelernt. Sie hat mich spontan eingeladen, bei ihr zu übernachten, wenn ich in Schweich bin. Toll gell? Wir hatten einen sehr schönen Abend mit selbstgemachter Linsensuppe und Nachtisch. Glücklich auf meinem Gästebett sitzend freute mich auf die letzte Etappe am nächsten Tag, aber irgendwie auch nicht. Ehrlich gesagt, ich wollte noch gar nicht ankommen. Aber der Alltag rief mich zurück. Leider.
Streckenverlauf der 7. Etappe mit Höhenprofil, GPS-Track und weiteren Infos:
Wegpunkte: Klüsserath – Marienkapelle – Thörnicher Ritsch – Kahlbachtal – Zitronen(krämer)kreuz – Landwehrkreuz – Schutzhütte Rupperoth – Schweich
Übernachtung: privat
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